Nachtlichtkegel tanzen
Ich bin gerade mit dem alten Gleiter durch die Nacht geschwebt – und was soll ich sagen? Ganz im Gegensatz zum Zeitgeist liebe ich das Autofahren, mein neuer Wagen gleitet durch die Nacht nur so dahin. Er hat ein großartiges Radio was zwar nichts weiter kann, aber immerhin einen mit allerlei Lieblingsmusik betankten USB-Stick abspielen. Und das in schönster Klangqualität. Durch das Glas-Schiebedach bei heutigem Sturmwind die Sterne über mir – fast wie in einer Major-Tom-Rakete durch Endlosigkeit. Europa endlos.
Die Instrumententafel leuchtet warm wie ein Nachtcafé, (Electric Café) Ziffern und Zeiger, atmen im Takt mit dem Motor. Unter mir das leise Pulsieren der Straße, ein gleichmäßiges, beruhigendes Surren — kein Rasen, eher ein Gespräch zwischen Metall und Asphalt. Ein gleiten, ein cruisen. Der Geruch von altem Leder mischt sich mit dem Duft des Wind-Regens, der an den Seitenfenstern entlangrutscht; jede Kurve schreibt eine kleine Geschichte in den Scheinwerferkegel. Ich bin allein. Das Radio spult Lieder ab, die ich seit Jahren nicht mehr gehört habe, und plötzlich sitzen all die alten Orte wieder neben mir auf dem Beifahrersitz: Kinovorführungen, späte Telefonate, ein verschwitztes Festivalzelt. Musik macht aus Kilometerangaben Landschaften, und während ein Bass die Sitzbank vibrieren lässt, merke ich, wie die Nacht ihre Schwere verliert. Die Welt verkleinert sich aufs Glas vor mir und den Streifen Licht, den die Scheinwerfer schneiden — und doch dehnt sich alles gleichzeitig aus, als hätte die Straße Zeit deklariert, überflüssig zu sein.
Manchmal halte ich an, nur kurz, an einer geeigneten Stelle mit fahlem Scheinwerfer oder vollständigem Vantaschwarz und sehe vielleicht andere Nacht-Gesichter: müde manchmal, ein einsamer Jogger, das blinkende Schild einer alten Tankstelle. Dann steige ich wieder ein, das Auto schließt wie ein kleiner Kokon, und ich setze die Fahrt fort — nicht hetzend, eher im Entdecken. Es ist die Sicherheit und Ruhe eines Autowagens in einer ausufernd kaputten Welt der 2020er Jahre. Europa liegt wie eine Karte aus Papier unter mir, Orte, die vorbeiziehen, Namen, die im Radio aufblitzen, und ich weiß: für diesen Augenblick genügt mir das Gleiten, das Summen, das vertraute Klacken eines alten Relais irgendwo im Armaturenbrett.
Das Tor summt und fährt hoch, ächzend, der automobile Kombiwagen wird langsam aber bewusst in die Garage manövriert, bis er richtig steht, richtig geparkt, nicht zu weit, doch platzsparend genug. Die Wärme dampft. Blätter rutschen, Nachtschatten rascheln.